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Die Übernahme von Mustern anderer – Wie wir unbewusst Verhaltensweisen übernehmen und welchen Einfluss sie auf unser Leben haben



In unserem täglichen Leben sind wir ständig von Einflüssen umgeben, die uns prägen und formen. Einer der mächtigsten Einflüsse, der oft unbemerkt bleibt, ist die Übernahme von Verhaltens- und Denkmustern anderer Menschen. Schon in den frühesten Jahren unseres Lebens beginnen wir, Muster von unseren Eltern, Geschwistern, Lehrern und anderen Bezugspersonen zu übernehmen. Diese Muster dienen uns zunächst als Orientierungshilfe, doch mit der Zeit können sie zu unbewussten Automatismen werden, die unser Denken, Fühlen und Handeln lenken. Der Einfluss dieser übernommenen Muster ist tiefgreifend, und es lohnt sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen, wie dieser Prozess abläuft und welche Auswirkungen er auf unser Leben hat.


Frühe Prägung durch Vorbilder


Von dem Moment an, in dem wir geboren werden, beginnen wir, unser Verhalten an den Menschen in unserer Umgebung auszurichten. Unsere Eltern und Bezugspersonen sind die ersten, die uns ein Bild davon vermitteln, wie die Welt funktioniert und wie man sich in ihr bewegt. Ob es bewusst oder unbewusst geschieht, wir übernehmen ihre Verhaltensweisen und Denkmuster in einem erstaunlichen Ausmaß. Ein Kleinkind, das seine Eltern beim Streiten beobachtet, wird vielleicht selbst lernen, in Konfliktsituationen laut zu werden oder sich zurückzuziehen, ohne zu wissen, dass es gerade ein Muster übernommen hat. Diese Prägungen setzen sich fort, während wir heranwachsen und neue Erfahrungen machen.


Besonders prägend sind Verhaltensmuster, die sich auf emotionale Reaktionen beziehen. Wie gehen die Menschen um uns herum mit Angst, Freude, Trauer oder Wut um? Diese emotionalen Reaktionsmuster werden tief in uns verankert und bilden oft die Grundlage für unsere eigenen emotionalen Ausdrucksformen. Auch wenn wir in unserem späteren Leben bewusst versuchen, uns anders zu verhalten, zeigen sich diese tief eingeprägten Muster immer wieder, besonders in Stress- oder Krisensituationen.


Die Macht unbewusster Glaubenssätze


Neben offensichtlichen Verhaltensmustern übernehmen wir auch tief verwurzelte Glaubenssätze, die unser Denken und Handeln lenken. Diese Glaubenssätze sind oft so selbstverständlich geworden, dass wir sie nicht einmal in Frage stellen. Ein Beispiel für einen solchen Glaubenssatz ist der weitverbreitete Satz: „Man muss hart arbeiten, um im Leben etwas zu erreichen.“ Dieser Glaubenssatz wird in vielen Familien von Generation zu Generation weitergegeben und kann sowohl motivierend als auch belastend wirken.


Auf den ersten Blick mag dieser Satz harmlos erscheinen, doch wenn er unbewusst übernommen wird, kann er dazu führen, dass Menschen sich permanent überlasten und ihr eigenes Wohlbefinden vernachlässigen. Ein anderer, ähnlich unbewusster Glaubenssatz könnte lauten: „Konflikte sollte man vermeiden, um Harmonie zu bewahren.“ Menschen, die mit diesem Glaubenssatz aufwachsen, haben möglicherweise Schwierigkeiten, ihre eigenen Bedürfnisse zu äußern oder sich in schwierigen Situationen durchzusetzen.


Diese Glaubenssätze bestimmen oft, wie wir unser Leben gestalten, welche Entscheidungen wir treffen und welche Risiken wir eingehen. Sie beeinflussen unsere berufliche Laufbahn, unsere Beziehungen und unser Selbstbild, ohne dass wir uns ihrer bewusst sind. Oft werden diese Muster erst dann sichtbar, wenn sie uns im Alltag blockieren oder zu Problemen führen.


Die Herausforderung, alte Muster zu erkennen


Es erfordert viel Bewusstsein und Selbstreflexion, um die Muster und Glaubenssätze zu erkennen, die wir von anderen übernommen haben. Oft leben wir viele Jahre mit diesen unbewussten Überzeugungen, bis wir in eine Situation geraten, in der sie nicht mehr funktionieren. Ein solcher Moment kann in einer Beziehungskrise, einer beruflichen Sackgasse oder einer persönlichen Lebenskrise liegen. Erst in solchen Momenten beginnen wir, uns zu fragen: Warum verhalte ich mich so, wie ich es tue? Woher kommen diese Reaktionen und Gedanken? Und vor allem: Sind sie noch hilfreich für mich?


Die Antwort auf diese Fragen ist nicht immer einfach zu finden. Alte Muster loszulassen, kann eine schmerzhafte Erfahrung sein, da sie uns oft ein Gefühl von Sicherheit und Vorhersehbarkeit geben. Gleichzeitig eröffnen sie uns aber auch die Möglichkeit, neue Verhaltensweisen und Denkmuster zu entwickeln, die besser zu unserem heutigen Leben passen.


Muster als Schutzmechanismen


Es ist wichtig zu verstehen, dass die Muster, die wir übernehmen, nicht per se negativ sind. Sie haben uns in der Vergangenheit oft geholfen, uns in bestimmten Situationen zurechtzufinden. Ein Kind, das lernt, sich in einer streitenden Familie zurückzuziehen, tut dies möglicherweise, um sich selbst zu schützen. Diese Verhaltensweisen dienen uns als Schutzmechanismen und haben in vielen Fällen eine wichtige Funktion.


Doch diese Schutzmechanismen, die in der Vergangenheit sinnvoll waren, können im Erwachsenenalter hinderlich werden. Ein Mensch, der gelernt hat, Konflikten aus dem Weg zu gehen, wird vielleicht Schwierigkeiten haben, in einer Partnerschaft offen über seine Bedürfnisse zu sprechen. Ein anderer, der gelernt hat, immer hart zu arbeiten, um Anerkennung zu bekommen, könnte Gefahr laufen, sich dauerhaft zu überfordern und auszubrennen.


Der Weg zu neuen Verhaltensmustern


Um alte, übernommene Muster zu verändern, bedarf es einer bewussten Auseinandersetzung mit den eigenen Prägungen. Dies kann durch Selbstreflexion, Coaching oder Therapie geschehen. Der erste Schritt besteht darin, sich der Muster überhaupt bewusst zu werden. Welche Verhaltensweisen habe ich von meinen Eltern oder anderen Vorbildern übernommen? Welche Glaubenssätze bestimmen mein Denken und Handeln? Und welche davon möchte ich vielleicht ablegen oder verändern?


Der nächste Schritt ist, neue Verhaltensweisen zu erlernen, die besser zu den eigenen Zielen und Bedürfnissen passen. Dies erfordert Mut, da es bedeutet, alte Sicherheiten aufzugeben und sich auf unbekanntes Terrain zu begeben. Doch mit der Zeit kann dieser Prozess zu einer tiefgreifenden Veränderung führen und mehr Freiheit und Selbstbestimmung ermöglichen.


Bleibt offen


Die Übernahme von Mustern anderer ist ein komplexer und oft unbewusster Prozess, der unser Leben maßgeblich beeinflusst. Doch durch Bewusstsein und Reflexion können wir diese Muster erkennen und bewusst entscheiden, welche wir beibehalten und welche wir verändern wollen. Letztlich bleibt es ein lebenslanger Prozess, in dem wir immer wieder neue Wege finden, um uns selbst besser zu verstehen und authentischer zu leben.


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